Am Nachmittag habe ich eine Warnung herausgegeben, da sich abzeichnete, dass sich eine Gewitterlage mit erhöhtem Unwetterpotential anbahnte:
Es sind im Bereich von Gewittern, insbesondere an einer Gewitterfront lokal schwere Sturmböen bis 100 Km/h zu erwarten. Bei gut organisierten Gewittern sind Hagelzüge zu erwarten, bei denen Hagelkörner mit 3 Zentimeter Durchmesser fallen können. Würde die Gewitterfront tagsüber durchziehen wären auch 4 Zentimeter möglich! Auch Starkregen mit Überflutungen ist möglich, aber das Ausmass wird geringer sein als bei anderen Gewitterlagen diesen Sommer, da die Zellen recht schnell ziehen und so die Regenmengen nicht so gross sind.
Beim Hagel war ich etwas skeptisch, da meiner Meinung nach nach dem Eindunkeln der vertikale Temperaturgradient abnimmt wegen fehlender Sonneneinstrahlung. Trotzdem schien die Lage mit der Kombination aus Labilität und Windscherung hagelanfällig zu sein. Es sind bisher aber keine Hagelmeldungen aufgetaucht, also nehme ich an, dass es diesbezüglich ruhig blieb. Dafür war der Wind ein ziemliches Thema. Die Gewitterlinie formierte sich um 21 Uhr zwischen Thun und Solothurn und zog in der Folge unter Verstärkung nach Osten.
Ich entscheide mich, loszufahren und in St. Gallen lege ich als Ziel Schmerikon fest. Dort angekommen blitzt es in der Ferne, doch während ich meine Kamera aufstelle schlägt ein erster Blitz in einigen Kilometern Entfernung in den Zürichsee ein. Das nenne ich einmal ein gelungenes Chasing! Doch dann kommt mir das Gewitter etwas zu nahe, plötzlich schlägt ein Blitz unerwartet in der anderen Richtung in etwa einem Kilometer Entfernung in den Zürichsee. Ich packe die Kamera wieder ein und gehe zurück an den Bahnhof, da ich doch ziemlich Respekt vor Blitzen habe. Dabei fängt es kräftig an zu regnen und zu winden, also könnte ich sowieso keine Blitz-Fotos machen. Als ich unter dem Dach ankomme, fegen Sturmböen durch und der Regen kommt beinahe waagrecht angeflogen. Dabei blitzt es immer wieder, aber ich sehe nur die Erhellung, nicht den Blitzkanal. Die nur wenige Meter entfernte Wetterstation misst eine Windspitze von 81 Km/h.
Mittlerweile hat sich die Gewitterfront nördlich und nordöstlich von mir zu einem veritablen Blitzspektakel entwickelt. Glücklicherweise kommt gleich der nächste Zug und ich fahre dem Gewitter hinterher. In Wattwil mache ich dann aber denn entscheidenden Fehler, den ich bereuen werde. Ich versuche einen Teil des Gewitters in Richtung Wil zu durchqueren, anstatt weiter in Richtung St. Gallen zu fahren. Das Gewitter ist nämlich, wie ich eigentlich wissen sollte, schneller als ich, was ich kurz nach dem Aussteigen bemerke. Zu spät. Immerhin kann ich vom Bahnhof aus in drei Minuten sage und schreibe 167 Blitze zählen! Da sitzen andere für 20 Franken im Club und draussen gibt es eine Gratis-Lightshow. (Natürlich – auch ich gehe ab und zu in den Ausgang)
Nun nimmt das Gewitter voll Kurs auf St. Gallen – sch****e. Ich fahre für 20 Franken durch die Ostschweiz und hätte zuhause ein super Gewitter mit Blitzspektakel haben können? Leicht enttäuscht warte ich, bis ich in Wil ankomme. Hier und da sehe ich noch die Blitze des abziehenden Gewitters. Da sehe ich die Wetterdaten aus der Umgebung Mörschwils an und kann kaum glauben, dass ich gerade eines der besten Gewitter des Jahres in Mörschwil verpasse. In St. Gallen wird eine Sturmböe von 84 Km/h gemessen, bei Gewittern kommt das nicht allzu häufig vor. Dann folgt Altenrhein mit 85 Km/h. Zudem schifft es den Wetterdaten zufolge ordentlich.
Aber letztendlich war das Erlebte in Schmerikon auch nicht schlecht, der eine Blitz war wirklich fantastisch, auch wenn ich ihn leider nicht auf der Kamera habe. Und der Wind war gleich stark wie zuhause, also hätte ich mir die 20 Franken sparen können, aber letztendlich habe ich nicht wirklich etwas verpasst. Leider habe ich wirklich keine Bilder, die ich zeigen könnte, nur Videos vom Sturm in Schmerikon, aber so spektakulär sieht das auch nicht aus.
Einige Eckdaten zur Gewitterfront:
Stärkste Windböen unter 1000 m.ü.M.:
Hemberg (Toggenburg): 89 Km/h
Altenrhein: 85 Km/h
St. Gallen: 84 Km/h
Schmerikon (Zürichsee): 81 Km/h
Herisau: 76 Km/h
Stärkster Regen (grösste Stundensummen):
Bischofszell: 19 mm
Weinfelden: 19 mm
Sirnach (nahe Wil): 19 mm
Braunau (nahe Wil): 17 mm
Egnach: 16 mm
Es wurden zwar vor allem zwischen dem oberen Zürichsee und dem oberen Bodensee Sturmböen registriert, aber über Böen um oder über 100 Km/h in den tiefen Lagen der Ostschweiz ist mir nichts bekannt. Meine Wettersation hat 14.2 mm Niederschlag in einer Stunde gemessen, das ist ein typisch kräftiger Gewitterregen, aber keineswegs eine ungewöhnliche Regenintensität.
Mit diesem ordentlichen Krach verabschiedeten sich die Gewitter nun für voraussichtlich mindestens eine Woche. Höchstens vereinzelt könnte in einem Schauer der eine oder andere Blitz zucken, zudem werden die kommenden Tage mit Höchstwerten um 20°C recht kühl.