Die Luft ist warm und schwül und plötzlich ziehen dunkle, imposante Wolken auf und die Stimmung wird beängstigend. Gleich mehrmals passierte dies von Freitag bis Sonntag an Orten in der Schweiz und Baden-Württemberg. Während Sturmjäger wie ich sich mit Aufregung den Gewittern nähern, um Fotos zu schiessen und die Naturgewalten mit eigenen Augen zu sehen, kommt es aber zu Schäden. In der Schweiz blieb es bei Sachschäden doch am Sonntag fiel in einem Gewitterkomplex in Baden-Württemberg so viel Regen, dass neben grossen Verwüstungen auch vier Personen ihr Leben lassen mussten.
Freitag – Hagelgewitter
Schon am Freitagmorgen liess das Wettermodell Cosmo von Meteoschweiz heftige Gewitter im Appenzellerland erwarten, während in den meisten Wetterberichte nur von vereinzelten Schauern die Rede war. In der Innerschweiz entwickelten sich dann aber rasch kräftige Zellen und aus Luzern wurde Hagel gemeldet. Am Zürichsee zeigte sich aber auf dem Radar nur noch ein mässiges Regengebiet. Energie war in Hülle und Fülle vorhanden, ich konnte mir nicht vorstellen, dass nichts passierte, also fuhr ich trotzdem los. Schon nach St.Georgen zuckten erste Blitze in einiger Entfernung. Nun wurde es spannend. Die Labilität war gross und das liess mich imposante Wolkenstrukturen erwarten.
Ich änderte meinen Plan und fuhr über den Feldweg in Richtung Riethüsli. Dort sah ich die Gewitterzelle zum ersten Mal richtig und mir war bewusst, dass sich die Fahrt gelohnt hat:
Der Blick ist hier nach Süden ins Appenzellerland hinein gerichtet. Zuvor hatte ich einen Blick auf den Radar geworfen und sah, dass das was ich sah ein sehr gut entwickeltes Gewitter war, das Hagel beinhaltete. Zudem zog ein weiteres Hagelgewitter vom Zürichsee her ins Thurgau – für später.
Bald fielen erste grosse und kalte Tropfen, die wohl noch nicht lange aufgetaut waren. Da mir das Risiko von Hagel und Blitzen doch etwas zu hoch wurde, raste ich durch den Wald ins Riethüsli hinunter und wieder nach St.Georgen. Dabei fielen weiterhin kalte Tropfen und teilweise hatte ich das Gefühl, dass sie noch nicht vollständig aufgetaut waren, also noch etwas Eis enthielten. Ich fuhr weiter in die Stadt hinunter und dann in Richtung Speicherschwendi um doch noch einigermasse nahe dran zu sein. Noch in der Stadt setzte kräftiger Regen ein und es fielen einzelne kleine Hagelkörner mit etwa 0.5 Zentimetern Durchmesser. Ich suchte mir einen Unterstand und liess das gröbste vorbei ziehen. Sollte ich mit dem Postauto nach Speicherschwendi fahren, um in den Abwindbereich, also den potentiellen Hagelbereich zu gelangen? Leider war dies aufgrund der Busverbindung nicht möglich, weshalb ich mit dem Fahrrad stadtauswärts in Richtung Mörschwil fuhr, um zu fotografieren, wie die Zelle über Altenrhein zog. Ich entschied mich für Guggeien-Höchst, einer meiner beliebtesten Fotoplätze.
Leider bin ich noch Anfänger in der Bedienung der Fotokamera, sodass die Bilder von dort definitiv keine Meisterwerke wurden. Immerhin erkennt man hier eine Wolkenabsenkung hinter dem Peter und Paul.
Im Nachhinein erfuhr ich, dass es sich bei dieser Zelle um eine Superzelle handelte, wie ich schon etwas vermutete. Sie zog von Luzern bis ins Thurgau und brachte praktisch durchgehend Hagel. Vor allem im Zürcher Oberland wurden Korgrössen um 1.5 Zentimeter gemessen. Auch vereinzelte Sturm- und Überflutungsschäden sind bekannt.
Eine Wolkenabsenkung sei zuvor recht tief gewesen, sodass zu einem Tornado wohl nicht mehr viel gefehlt hätte.
Die Blitzentladungen der Zelle verliessen den Hauptniederschlagsbereich um viele Kilometer, was für mich etwas beängstigend war, zumal ich in einer etwas exponierten Position war.
Mörschwil lag genau zwischen den Zellen. Lediglich 0.7 mm Niederschlag kamen vom Himmel.
Samstag – erneute Hagelgewitter weiter westlich
Am Samstag blieb es in der Ostschweiz ruhig. Nur in der Nacht konnte man das Flackern von Blitzen aus entfernten Gewitterzellen beobachten. Dabei fielen teilweise bis zu 3.5 Zentimeter grosse Hagelkörner!
Sonntag – Mesoscale convective system fordert Todesopfer in Baden-Württemberg
Der Sonntag verlief in der Schweiz recht unspektakulär. Doch in der feuchtwarmen Luft entwickelte sich durch eine Konvergenzzone in Baden-Württemberg ein Gewitterkomplex mit heftigen Regenfällen. Es handelt sich hierbei um einen MCS (Mesoscale convective system).
Der Deutsche Wetterdienst hat bis zu 65 mm Niederschlag in einer Stunde gemessen und bis zu 100 mm in 12 Stunden. Das sind ungewöhnliche Regenmengen. Es ist durchaus möglich, das lokal noch mehr Regen gefallen ist.
Die Folgen sind dramatisch. Am schlimmsten getroffen hat es meines Wissens die Gemeinde Braunsbach. Dort ist der gleichnamige Bach über die Ufer getreten und verwüstete Teile des Dorfs. Autos und sogar Rettungsfahrzeuge wurden einfach mitgerissen. Scheinbar seien die Schlamm- und Schuttmassen mehrere Meter hoch gewesen.
Laut Medienberichten kamen dabei leider vier Personen ums Leben. Dies zeigt wieder einmal auf tragische Weise, dass heftige Niederschläge eine nicht zu unterschätzende Gefahr darstellen. Gerade MCS die in Konvergenzzonen entstehen sorgen nicht selten für schwere Überschwemmungen. Vor einem Jahr passierte Ähnliches in der Ostschweiz: Am 14.Juni 2015 entwickelte sich im Thurgau ein solches Gewittersystem, das insbesondere in und um Wil grosse Schäden verursachte.
Die kommenden Tage werden ruhiger. Es regnet zwar immer wieder aber es werden keine grossen Mengen erwartet.