Kurz vor 18 Uhr wurden südwestlich von Genf in Frankreich erste Blitze registriert. In diesem Gebiet regnet es derzeit auch recht kräftig, lokal sind Mengen um 15 bis 20 mm in einer Stunde denkbar. Derzeit erstreckt sich das Schauergebiet von dort über das Genferseegebiet bis in den Jura und zieht nach Nordosten. Der südliche Teil würde dann über die Voralpen ziehen. Dabei werden die Luftmassen zusätzlich angehoben und es können sich weiter Schauer und Gewitter bilden, daraus könnte man folgern, dass sich über den Voralpen immer neue Gewitter entwickeln, die dann über die Ostschweiz ziehen.
So einfach ist es aber nicht. Durch die Berge werden die Luftmassen zwar in die Höhe gedrückt und es gibt Niederschläge, doch für ein Gewitter müssen die Aufwinde stark sein und mehrere Kilometer in die Höhe reichen. Diese Aufwinde entstehen, wenn ein warmes Luftpaket aufgrund der geringeren Dichte im Vergleich zur kälteren Umgebungsluft aufsteigt. Beim Aufstieg kühlt sich die warme Luft ab und der enthaltene Wasserdampf kondensiert aus. Danach ist die Abkühlungsrate geringer und wenn die Temperatur mit der Höhe genug stark abnimmt, bleibt das Luftpacket bis in mehrere Kilometer Höhe wärmer als die Umgebung und steigt weiter auf. Man nennt das Labilität. Erst wenn es die Temperatur der Umgebungsluft erreicht hat, hört der Aufstieg auf.
Ich hoffe, Sie haben ungefähr verstanden, um was es geht. Jetzt muss ich also überprüfen, ob Labilität vorhanden ist. Da der Zeitraum der Wetterprognose auf die Zeit um und nach Sonnenuntergang fällt, sagt mir schon mein Gefühl, dass nur wenig Labilität vorhanden ist. Wieso? Die Labilität ist umso grösser, je stärker die Temperatur mit der Höhe abnimmt. Bei Sonneneinstrahlung wird die Luft vom Boden her erwärmt, sodass in Bodennähe die grösste Erwärmung stattfindet, während die Temperatur in der Höhe nicht zunimmt. Nehmen wir an, in 5 Kilomtern Höhe herrscht ganztags eine Temperatur von -20°C und am Boden sind es am Morgen 10°C. Die Temperaturdifferenz beträgt dann 30°C. Jetzt erwärmt die Sonne tagsüber die Luft in Bodennähe auf 20°C. Nun beträgt die Temperaturdifferenz 40°C, die Temperatur nimmt mit der Höhe stärker ab, als bei Sonnenaufgang. Folglich wird die Labilität grösser und das Gewitterrisiko steigt. Grundsätzlich kann man festhalten: Bei Sonneneinstrahlung nimmt die Labilität und das Gewitterrisiko zu, nach Sonnenuntergang nimmt die Labilität wieder ab und Gewitter werden unwahrscheinlicher.
Meine Vermutung bestätigt sich: durch die bodennahe Abkühlung abends ist kaum mehr Labilität vorhanden. Da auch keine Kaltfront vorhanden ist, denke ich, dass die Schauer die Westschweiz erfassen, sich dann aber abschwächen, für Blitze auf schweizer Boden reicht es wohl nicht. Über den Voralpen entwickeln sich orografisch bedingt (aufgrund von Hügeln, Bergen) noch einige Schauer, die nach Nordosten ins angrenzende Mittelland hinausziehen, doch ich erwarte dabei keine grossen Niederschlagsintensitäten. Hagel und Sturmböen sind sowieso so gut wie ausgeschlossen.